

Im Gespräch mit Prof. Dr. Dieter Pfaff
In einer Welt, die sich immer schneller dreht, sind die Berufsfelder Rechnungslegung, Controlling und Treuhand nicht nur fachlich – in ihrem Kerngeschäft – gefordert. Auch übergeordnete Entwicklungen beeinflussen und verändern die Berufswelt in hohem Tempo: namentlich die digitale Transformation der Arbeitsprozesse und die rasch zunehmende Bedeutung von künstlicher Intelligenz. Als Präsident von SwissAccounting analysiert Prof. Dieter Pfaff solche Entwicklungen und den daraus resultierenden Veränderungsbedarf in den (Beratungs-)Unternehmen intensiv.
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Herr Professor Pfaff, seit Juni 2023 wirken Sie als Präsident von SwissAccounting. Was waren beim Start Ihre wichtigsten Ziele?
Erstens ging es uns darum, die Sichtbarkeit unseres Berufsstands zu fördern. Ein wesentlicher Schritt dazu war die Umbenennung von veb.ch in SwissAccounting. Zweitens galt es, die digitale Transformation unserer Mitglieder voranzubringen, insbesondere durch praxisnahe Tools und gezielte Weiterbildungsangebote. Drittens lag uns die Modernisierung unseres Verbands am Herzen. Wenn wir langfristig im Mitgliederbestand wachsen wollen, müssen wir junge Menschen für das Accounting begeistern.
Wie weit sind Sie in diesen drei Themen bis heute vorangekommen?
Das Rebranding war ein grosser Erfolg. Alle Regionalgruppen sowie unsere Schwesterverbände in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz (vormals Swisco und ACF) haben den neuen Namen SwissAccounting übernommen. Bei der digitalen Transformation sind wir ebenfalls gut vorangekommen: Wir haben einen CAS in Digitalisierung und KI im Accounting ins Leben gerufen und im Mitgliederbereich eine attraktive Toolbox aufgeschaltet, die praxisnahe Hilfsmittel zur Verfügung stellt. Und schliesslich, im Zusammenhang mit der Modernisierung unseres Verbands, prüfen wir aktuell, wie wir die Accounting-Ausbildung auch im Rahmen der kaufmännischen Lehre und der Weiterbildung aktiv mitgestalten können. Unser Ziel ist es, Accounting als attraktive Ausbildungsoption fest in den Köpfen junger Menschen zu verankern. Deshalb haben wir seit Anfang Juni auch unsere Präsenz auf TikTok aufgebaut.
«Unser Ziel ist es, Accounting als attraktive Ausbildungsoption fest in den Köpfen junger Menschen zu verankern.»
Ihr Vorgänger, Herbert Mattle, war 30 Jahre im Amt und hat viel bewegt. Wie war es für Sie, in diese grossen Fussstapfen zu treten?
Die Nachfolge von Herbert Mattle anzutreten, war für mich eine Aufgabe, die ich mit grossem Respekt und gleichzeitig mit Neugier angenommen habe. Unter der Ägide von Herbert Mattle war ich über viele Jahre als Vizepräsident tätig und konnte viel von ihm lernen, insbesondere durch seinen transparenten Umgang mit Denk- und Entscheidungsprozessen. Er hat mir einen sowohl finanziell als auch personell hervorragend aufgestellten Verband hinterlassen. Gleichwohl sehe ich meine Rolle nicht darin, sein Werk zu kopieren, sondern es mit neuen Akzenten weiterzuentwickeln. Die grösste Herausforderung bestand und besteht weiterhin darin, Bewährtes zu bewahren und gleichzeitig mutig sinnvolle Veränderungen anzustossen.
Welche Gründe stehen hinter dem Rebranding von veb.ch auf SwissAccounting?
Ein Akronym verursacht höhere Kommunikationskosten, da es weniger merkfähig ist und oft erläutert werden muss. Der neue Name verdeutlicht dagegen explizit, wofür unser Verband heute steht, und erhöht somit die Merkfähigkeit. Dies beschleunigt die Kommunikation und senkt die Kosten. Vor allem aber wollten wir einen Namen finden, den auch unsere Kolleginnen und Kollegen aus der französisch- und italienischsprachigen Schweiz mittragen und übernehmen konnten. Heute treten wir schweizweit unter derselben Wortbildmarke auf.
Und wie sind die bisherigen Erfahrungen und Rückmeldungen zum neuen Auftritt?
Positiv bis begeistert. Mitglieder schätzen den klareren, modernen Markenauftritt. Unsere Geschäfts- und Kooperationspartner haben uns durch die Bank sehr für unseren neuen, frischen Auftritt gelobt. «SwissAccounting» signalisiert Qualität, Verlässlichkeit und Zukunftsorientierung – und gewinnt gerade bei jungen Fachkräften an Attraktivität. Ganz vereinzelt gab es nostalgische Stimmen, doch die überwiegende Mehrheit sieht den Schritt als längst fällig.
Wie entwickeln sich die Mitgliederzahlen von SwissAccounting? Was sind diesbezüglich Ihre Ziele?
Wir wachsen seit drei Jahren stabil um zwei bis drei Prozent pro Jahr. Ende 2024 lagen wir schweizweit bei knapp 10 000 Mitgliedern. Bis 2030 peilen wir 11 000 an – nicht um der Zahl willen, sondern um ein schlagkräftiges Netzwerk für Fachkräfte in allen Karrierestufen zu bilden.
Welche Gesetzesänderungen der letzten Jahre haben die Rechnungslegung nach Ihrer Beurteilung besonders beeinflusst?
Die Revision des Obligationenrechts Art. 964a ff. zur nichtfinanziellen Berichterstattung hat den Aufwand für grosse Unternehmen erheblich erhöht. Die EU-Vorgaben der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wirken sich indirekt auch auf Schweizer Gruppen aus. Zusätzlich stellt die OECD-Mindestbesteuerung, auch wenn sie primär grosse Unternehmen betrifft, eine wesentliche Herausforderung dar. Aber auch eine kleine Gesellschaft in der Schweiz mit z.B. zehn Mitarbeitenden und einem Umsatz von 2 Mio. Franken kann durchaus der globalen Mindeststeuer unterliegen, wenn sie von einem ausländischen Konzern beherrscht wird.
Und was kommt diesbezüglich in den nächsten Jahren auf uns zu?
Für die nächsten Jahre erwarten wir eine stärkere Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung, was auch KMU entlang der Lieferkette betreffen wird. Die E-Bilanz könnte Schwung in die digitale Steuerwelt juristischer Personen bringen.
Was bisher manuell und papierlastig war, könnte nun durch standardisierte und automatisierte Prozesse erledigt werden. Lesen Sie hierzu auch den Blogbeitrag zur E-Bilanz. Eine weitere Neuerung: Das kantonale Steueramt Zürich hat im August 2025 eine neue Online-Steuerdeklarationslösung für juristische Personen eingeführt. Weitere Kantone werden 2026 folgen.
Da wir von der Zukunft sprechen – welche Rolle wird Ihrer Einschätzung nach künstliche Intelligenz (KI) in der Rechnungslegung übernehmen?
KI wird die Rechnungslegung transformieren – von der Automatisierung repetitiver Aufgaben bis hin zu prädiktiven Analysen für strategische Entscheidungen. Fachkräfte entwickeln sich vom Buchhalter und Datenlieferanten zum Entscheidungscoach. Doch der Weg dorthin ist anspruchsvoll: Datenschutz, Datensicherheit und mangelhafte Datenqualität bremsen die Entwicklung. Unternehmen müssen ihre Datenbasis konsequent aufräumen – ohne saubere Stammdaten bleibt KI Stückwerk. Zudem entstehen neue Rollen: Neben der beratenden Rolle braucht es auch eher technisch ausgerichtete Fachleute, die sowohl Rechnungswesen als auch KI-Systeme verstehen, steuern und anpassen können. In einer dynamischen Welt muss KI nachvollziehbar, flexibel und kontinuierlich justierbar bleiben.
Tätigkeitsgebiete wie Rechnungslegung, Controlling und auch Treuhand sind vom Fachkräftemangel betroffen. Wie nehmen Sie die Situation wahr?
Entscheidend ist weniger die reine Anzahl an Fachkräften, sondern vielmehr deren Kompetenzprofile. Während Junior-Positionen meist gut besetzt sind, mangelt es an erfahrenen Berufsleuten, die Bilanzkenntnisse mit Kompetenzen in Datenanalyse und Nachhaltigkeit verbinden. Bei ausgeschriebenen Controlling-Stellen haben jüngere Fachkräfte mit wenig Berufserfahrung derzeit kaum Chancen. Gefragt sind vielmehr Expertinnen und Experten, die umfangreiche Erfahrung im Umgang mit ERP-Systemen und Business Intelligence (BI) mitbringen. Für Berufseinsteigerinnen und -einsteiger bedeutet das: Wer sich frühzeitig mit digitalen Tools, ERP-Systemen und Business Intelligence (BI) vertraut macht, verbessert seine Chancen deutlich – auch in einem kompetitiven Umfeld.
In der Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsbranche herrscht nach wie vor Fachkräftemangel. Hingegen geraten Accounting-Stellen, die sich auf reine Datenlieferung oder -verarbeitung konzentrieren, besonders in grösseren Unternehmen zunehmend unter Druck. Dies reduziert die Nachfrage nach klassischen Accountants. Während in der Vergangenheit viele Arbeitsplätze durch Offshoring oder Nearshoring verloren gingen, ist es heute insbesondere die KI, die zu erheblichen Kostensenkungen im Accounting führt.
Was kann SwissAccounting tun, um vermehrt Nachwuchs zu gewinnen?
Um mehr Nachwuchs für den Bereich Accounting zu gewinnen, müssen wir als Verband aktiv daran arbeiten, Accounting frühzeitig als attraktives Berufsfeld in den Köpfen junger Menschen zu verankern. Dazu gehört, dass wir bereits in den Berufsfachschulen präsent sind und gezielt Imagekampagnen durchführen, um frühzeitig Interesse und Begeisterung für unseren Berufsstand zu wecken. Ein konkreter Schritt in diese Richtung ist beispielsweise unser Engagement auf TikTok seit Anfang Juni 2025, wodurch wir junge Zielgruppen unmittelbar erreichen und ansprechen. Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist es, dass wir bereits während der kaufmännischen Lehre Einfluss auf die Ausbildung nehmen. Wir möchten Lücken beim Lehrstoff zum Finanz- und Rechnungswesen schliessen, die im Rahmen der letzten Reform entstanden sind. Als dritten Schwerpunkt sehen wir die Attraktivitätssteigerung unserer Aus- und Weiterbildungsangebote. Diese müssen gezielt auch auf die Bedürfnisse und Interessen junger Menschen zugeschnitten sein, um sie nachhaltig für das Accounting zu begeistern. Dabei können innovative, digitale Lernformate oder attraktive Karriereprogramme, die klare Entwicklungsperspektiven aufzeigen, besonders wirksam sein.
SwissAccounting gilt als ausgezeichnete Adresse für fundierte berufliche Weiterbildung. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
SwissAccounting legt besonderen Wert auf attraktive Aus- und Weiterbildungsangebote, um unsere Berufsleute optimal auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. Unser Erfolgsrezept beruht auf drei zentralen Säulen: Praxisnähe, hybride Unterrichtsformate und hohe Aktualität. Jede Weiterbildung wird von ausgewiesenen Praktikerinnen und Praktikern mitgestaltet, ist häufig modular aufgebaut und bietet die flexible Wahl zwischen Präsenzunterricht und Online-Teilnahme. Unser CAS-Angebot in Bereichen wie Steuern, Personaladministration, internationaler Rechnungslegung, Digitalisierung, Führung sowie Verwaltungsratsverantwortung folgt einer klar strukturierten Logik und praxisorientierten Ausrichtung. Zudem schaffen wir gezielte Anschlussmöglichkeiten – sogenannte Passerellen – zur Fachhochschule und bieten zusätzlich internationale Perspektiven durch englischsprachige Programme des Institute of Management Accountants (IMA).
Wie sehen Sie das künftige Zusammenspiel von SwissAccounting und TREUHAND|SUISSE?
Die Zusammenarbeit zwischen SwissAccounting und TREUHAND|SUISSE sehen wir als komplementär, nicht als konkurrierend. Beide Verbände verfolgen das gemeinsame Ziel, die Qualität unseres Fachs und die Zukunftsfähigkeit unserer Mitglieder zu sichern und weiterzuentwickeln. Ein gutes Beispiel dafür ist die Gründung der Swiss Quality & Peer Review AG im Jahr 2013, die von TREUHAND|SUISSE und SwissAccounting (damals noch veb.ch) gemeinsam ins Leben gerufen wurde. Ziel war und ist es, KMU-Revisionsunternehmen bei der Einführung und Pflege eines wirksamen Qualitätssicherungssystems zu unterstützen. Mit dem gemeinsam entwickelten «Revisions-Sorglos-Paket» haben wir frühzeitig auf gesetzliche Anforderungen und steigende Qualitätsansprüche reagiert. Darüber hinaus bildet Accounting das Fundament unserer Berufsbilder – sowohl fachlich als auch in der beruflichen Entwicklung unserer Mitglieder. Entsprechend müssen wir unsere Kräfte bündeln, um insbesondere junge Menschen für das Accounting zu begeistern und sie für eine Karriere in unseren Berufsfeldern zu gewinnen. Dieser Gedanke spiegelt sich auch im bereits heute sehr aktiven, persönlichen Austausch zwischen den beiden Verbänden wider. Ziel ist es, diese konstruktive Zusammenarbeit weiter zu stärken und gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu entwickeln.
Wie finden Sie den Ausgleich zu Ihrem intensiven und zahlenlastigen Berufsleben?
Mein Berufsleben ist gar nicht so zahlenlastig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Vielmehr wird es durch den Umgang mit jungen Menschen geprägt, die es zu fördern gilt. Zudem bieten sowohl meine Rolle als Universitätsprofessor – seit Anfang August 2025 allerdings emeritiert – als auch meine Funktion als Präsident von SwissAccounting enorme Gestaltungsspielräume. Genau dieser Freiraum, etwas bewegen zu können, bereitet mir enorm viel Freude. Wenn ich jedoch wirklich einmal komplett abschalten möchte, dann mit einer Runde Golf oder im Kreis meiner Familie.
Zur Person
Prof. Dr. Dieter Pfaff
Präsident von SwissAccounting