«Treuhänder können wertvolle Impulse ins KMU einbringen.»
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Im Gespräch mit Werner Scherrer

14. Mai 2025 - 
Unternehmens- und Wirtschaftsberatung

Der KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich beobachtet den Wirtschaftsstandort intensiv. Im Interesse seiner 17'000 Mitgliedfirmen quer durch alle Branchen setzt er sich an vielen Fronten für die Belange der KMU ein. Wo läuft es gut, wo hapert es? Und was kann die Treuhandbranche beitragen? Wir haben mit Präsident Werner Scherrer darüber gesprochen. 

 

 

Interview hören

Herr Scherrer, Sie setzen sich für die Interessen des Gewerbes und der KMU ein. Wo liegen Ihre wichtigsten Handlungsfelder?

Zentrale Themenfelder sind Finanzen und Steuern, Gebühren und Abgaben. Der Kanton Zürich verliert zunehmend an steuerlicher Attraktivität. Nach Jahren des Stillstands in der kantonalen Steuerpolitik braucht es neue Impulse. Die Vielzahl an (steigenden) Gebühren und der Dschungel an Regulierungen schwächt Unternehmen. Ich leite daraus drei Forderungen ab: Erstens, die Steuern für natürliche und juristische Personen müssen gesenkt werden. Bei den Unternehmenssteuern ist der Kanton Zürich gegenwärtig auf dem zweitletzten Platz, das muss sich deutlich ändern und dafür kämpfen wir. Zweitens, die öffentliche Verwaltung soll weniger schnell wachsen als die Wirtschaftsleistung. Drittens, Gebühren dürfen maximal verursachergerecht sein und müssen transparent ausgewiesen werden.

Wo setzen Sie weitere Schwerpunkte?

Beim Thema Mobilität. Ein erfolgreicher Wirtschaftsstandort ist auf eine funktionierende Infrastruktur für alle Verkehrsträger angewiesen. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Wirtschaftsraum Zürich hinkt dem Bevölkerungswachstum zunehmend hinterher, insbesondere beim motorisierten Individualverkehr. Die zunehmenden Staustunden sind besonders für KMU schädlich. Für eine zukunftsgerichtete Mobilität braucht es den bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen unter Gleichbehandlung der einzelnen Verkehrsträger. Auch der Flughafen Zürich, welcher für die Zürcher Wirtschaft von unermesslichem Wert ist, darf nicht weiter eingeschränkt werden.

Ein aktuelles Engagement des KGV auf dem Gebiet der Mobilität dreht sich um die Tatsache, dass immer mehr Gemeinden auf «ihren» Kantonsstrassen Tempo 30 einführen wollen. Deshalb stellen wir uns klar hinter die Mobilitätsinitiative. Diese sieht vor, dass der Kanton über die Höchstgeschwindigkeit auf den übergeordneten Strassen entscheidet und diese nur in klar begründeten Ausnahmefällen herabsetzt. Der Kanton soll für einen einheitlichen Vollzug auf dem ganzen Kantonsgebiet verantwortlich sein.

Wie beurteilen Sie das Themenfeld Bildung, Forschung und Entwicklung?

Das ist uns sehr wichtig. Denn eine gut aufgestellte berufliche Grund- und Weiterbildung stellt eine wesentliche Voraussetzung für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort, für Wohlstand und für Vollbeschäftigung dar. Eine leistungsorientierte Vermittlung von Lerninhalten ist die wichtigste Aufgabe der Volksschule. Deshalb muss eine Bildungspolitik sichergestellt werden, welche die künftigen Generationen erfolgreich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet und den Jugendlichen insbesondere den erfolgreichen Übertritt von der Sekundarstufe I in die berufliche Grundbildung ermöglicht.

Der KGV leistet auf diesem Gebiet namentlich mit der Berufsmesse einen wichtigen Beitrag. Im 2024 hatten wir eine Rekordzahl von 62'000 Besuchern: Sekundarschüler, im Klassenverband, alleine oder mit den Eltern. Auch die Förderklasseninitiative, die von FDP-, SVP- und GLP-Exponenten im Sommer 2024 erfolgreich eingereicht wurde, haben wir von Anbeginn unterstützt. Die Initiative fordert, dass alle Kinder im Kanton Zürich auf Entscheid der Schulpflege hin Zugang zu Förderklassen haben sollen. Das bringt wieder mehr Ruhe und Konzentration auf den Lernstoff in die Klassenzimmer.

Der KGV ist die Dachorganisation für 17'000 Mitglieder. Bezüglich Branchen und Betriebsgrössen sind diese Mitglieder sehr heterogen. Wo liegt der gemeinsame Nenner?

Ja, unsere Basis ist sehr heterogen. Aber alle Mitglieder verbindet ein gemeinsamer Nenner: Alle wollen einen schlanken, sprich: effizienten, Staat mit tiefen Steuern, Gebühren und Abgaben. Denn unnötige Bürokratie bremst die KMU zunehmend aus. Und alle brauchen gut ausgebildete Schulabgänger, um sie in ihrer Branche zu Spezialisten zu machen. Die meisten sind auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen und möchten digitalisierte Prozesse mit der Verwaltung. Was alle nicht brauchen ist ein Staat, der uns bevormundet – ein «Nanny-Staat».

Welche Entwicklungen bereiten Ihnen bzw. Ihren Mitgliedern derzeit am meisten Sorgen?

Das ungebremste Stellenwachstum beim Staat und parallel dazu die massiv höheren Löhne als in der Privatwirtschaft. Der Staat übernimmt immer mehr Aufgaben und konkurrenziert damit Private. Ferner unsere Energieversorgung, die nach wie vor auf «tönernen Füssen» steht. Ein Blackout von 2 – 3 Tagen wäre finanziell fataler als die Coronakrise. Eine stets verfügbare und bezahlbare Energie ist elementar für unsere Wirtschaft. Und schliesslich der Bildungsstand der Schulabgänger, der oftmals nicht mehr das vom Lehrbetrieb geforderte Niveau erreicht.

Bei welchen dieser Themen würden Sie ein (stärkeres) Engagement der Treuhandbranche begrüssen?

Im Grundsatz ist unsere Aufgabe als Dachverband für die allgemeinen guten Rahmenbedingungen für KMU im Kanton zu sorgen – auch für die Treuhänder. Zudem haben wir die finanziellen Mittel, die es braucht, um Einfluss zu nehmen, hinter den Kulissen oder auch in einer Abstimmungskampagne. Wenn die Treuhandbranche über ihre Kanäle unsere politischen KMU-Anliegen verstärkt unterstützt, wäre das von grossem Nutzen. Unsere KMU sind generell politisch zu wenig aktiv.

«Die Aussensicht, die Treuhänder ins KMU einbringen, kann wichtige Impulse vermitteln.»

Wir vermuten, dass Ihre 17'000 Mitgliedfirmen alle mit einem Treuhandbüro zusammenarbeiten.

Das sehe ich auch so. Jedes KMU ist Spezialist auf seinem Arbeitsgebiet und hat in der Regel weder die Zeit noch das Knowhow, sich selber um die Steuern, und alles was damit zusammenhängt, zu kümmern.

Wo sehen Sie persönlich den Nutzen des Treuhandprofis an der Seite eines Gewerbebetriebs, eines KMU?

Zentral ist sicher alles, was zur Steueroptimierung beiträgt. Es wäre leichtsinnig, wenn man als Unternehmen seine legitimen Möglichkeiten hier nicht mit Hilfe eines Profis ausschöpfte. Und dann die strategische Beratung und das Finanzmanagement: Treuhänder können «Challenger» für ein KMU sein; durch den Einblick in andere Unternehmen können sie eine interessante Aussensicht ins KMU bringen, beispielsweise bei der Prozessoptimierung.

Weil der Beratungsbedarf in Treuhandbelangen zunimmt, spürt die Branche den Fachkräftemangel. Ist es für KGV-Mitglieder schwieriger geworden gute Treuhandpartner zu finden?

Der Fachkräftemangel ist real und spiegelt die gute Wirtschaftslage wider. Wir wissen, dass der Fachkräftemangel in der Treuhandbranche speziell hoch ist. Ob es schwieriger geworden ist, als KMU gute Treuhandpartner zu finden, kann ich schlecht beurteilen. Weil solche Vertrauensverhältnisse meist langfristig sind, könnte ich mir vorstellen, dass es für Jungunternehmen vielleicht komplizierter wird.

Die Mitglieder von TREUHAND|SUISSE legen ihren Kunden nahe, ihre «Buchhaltung» zu digitalisieren. Gerade kleinere Betriebe könnten sich davon aber auch überfordert fühlen.

Jedes KMU muss den Prozess wählen, der zu ihm passt. Wer mit der Zeit geht, wird vermutlich die Digitalisierung nutzen. Früher oder später werden das alle tun. Und wenn der Prozess schlank ist, sind auch die Kosten tief. Da sagt das KMU auch nicht nein dazu.

Gibt es aus den Reihen Ihrer Mitglieder Wünsche an die Treuhandbranche?

Das Einzige was mir spontan einfällt: Bei manchen Treuhandprofis ist die Kommunikation zuweilen etwas gar «fachlich». Wenn man als Spezialist auch in komplexen Angelegenheiten eine klare und verständliche Sprache findet, ist das für beide Seiten ein Gewinn.

Der Hinweis «Mitglied von TREUHAND|SUISSE» ist für Treuhandunternehmen ein Gütesiegel. Denken Sie, es ist für KMU relevant?

Gütesiegel sind in KMU-Kreisen durchaus wichtig. In vielen Branchen gibt es diese. Insofern sind sicher viele KMU darauf sensibilisiert und erachten den offiziellen Hinweis «Mitglied von TREUHAND|SUISSE» als positiv. Was ich für TREUHAND|SUISSE übrigens interessant fände, wäre der verstärkte Hinweis darauf, dass die Mitglieder alle über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügen müssen und was es bedeutet. Das ist für KMU ein wichtiger Aspekt bei der Partnerwahl.

Klagen geht immer, aber wir wollen positiv enden: Wo hat der Kanton Zürich als Standort für Gewerbe und KMU seine Stärken?

Im Kanton sind unzählige Branchen zu Hause. Wir sind nach wie vor der Wirtschaftsmotor der Schweiz und erwirtschaften über 20 Prozent des Schweizer BIP. Die im allgemeinen gute Infrastruktur ist von Vorteil. Hier gilt es einmal mehr den Flughafen zu erwähnen, dessen Wichtigkeit oftmals unterschätzt wird. Die ETH mit ihrem hervorragenden weltweiten Ranking ist ein Garant dafür, dass sich innovative Branchen hier ansiedeln (z.B. Google oder Biochemie Cluster in Limmattal). Dies alles in Kombination mit der hohen Lebensqualität macht den Kanton Zürich nach wie vor attraktiv.

 

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Zur Person

Werner Scherrer

Messerschmied
Präsident Zürcher Lehrbetriebsverband ZLI/ICT
Präsident des KMU- und Gewerbeverbands des Kantons Zürich KGV